(1878-1934)
Erich Mühsam war ein Dichter, Bohemian und Anarchist. Ursprünglich von jüdischer Konfession, ist er 1926 aus dem Judentum ausgetreten. Erich ist als 3. von 4 Kindern in Lübeck aufgewachsen; wegen "sozialistischer Umtriebe" wurde er 1896 vom Gymnasium gewiesen. Ab 1901 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin, fand Anschluß an Bohemezirkel und entwickelte sich rasch zum literarisch fruchtbarsten Vertreter des deutschen Anarchismus. Seine Suche nach einer Vorwegnahme der Anarchie führte zu einer antibürgerlichen, ungebundenen und vitalen Lebensweise, die auch seine freie Liebe zu den Frauen beinhaltete. 1904 bis 1908 folgten Wanderjahre mit Aufenthalten in Zürich, Ascona, Norditalien, München, Wien und Paris. Auf dem Monte Veritá befreundete er sich mit dem Siedler Karl Gräser, nach dessen Vorbild er eine "Sammlungsstätte" solcher Menschen errichten wollte, "denen sich gegen Knechtschaft und Vergewaltigung in echtem Grimme der Mensch aufbäumte". Eine entsprechende Gemeinschaft für die von der Gesellschaft Geächteten – Landstreicher, Bettler, Huren und Verbrecher – versuchte er dann in München zu schaffen.
Erich Mühsam Gedichte Death
Dieses Gedicht ist erschienen in: Den Mond wollt' ich dir schenken
Erich Mühsam (1878-1934)
Der Revoluzzer
War einmal ein Revoluzzer
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit. Und er schrie: "Ich revolüzze! " Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor. Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt. Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus. Aber unser Revoluzzer
schrie: "Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts. Bitte, bitte, tut ihm nichts! Wenn wir ihn' das Licht ausdrehn,
kann kein Bürger nichts mehr sehen. Lasst die Lampen stehn, ich bitt! -
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit! " Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich. Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.
Erich Mühsam Gedichte And Mary
ERICH MÜHSAM Jetzt ist es Zeit Jetzt ist es Zeit! – Es ist genug! – Ich hab' es viel zu lange getragen! – Warum ich's wohl so lange trug? – Jetzt wird's zerschlagen! Ich war so tot! – Jetzt wach ich auf! – Es ist noch Zeit. – Jetzt ist es Zeit! – Mein Leben lebt – mein Leben schreit. – – Ich setz' das Leben an. Ich sauf'! – Rest weg! – Und kracht der Krug entzwei, so besser! – Besser tot als wrack! – Weg. Mitwelt, weg! – Ich schmeiß zu Brei die plumpen Schädel! – Pack!! nach 1900 Konnotation Aus seinem bürgerlichen Beruf – er sollte nach dem Wunsch seines Vaters Apotheker werden – hat sich der junge Erich Mühsam (1878–1934) spektakulär verabschiedet. Um seinem revolutionären "Temperament" endlich Ausdruck zu verschaffen, warf der Apothekersohn aus Lübeck 1900 alles hin und stürzte sich in die Berliner Bohèmekultur. Zugleich gab er dem narzisstischen Bohèmeleben auch eine politische Richtung – indem er sich die anarchistische Umwälzung der alten wilhelminischen Welt zum Ziel setzte. In atemlosen Appellen und Imperativen spricht das nach 1900 entstandene Gedicht vom selbstverordneten Aufbruch in eine neue Zeit.
Erich Mühsam Gedichte Cause Of Death
( gewidmet der deutschen Sozialdemokratie)
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Du hast mich fortgeschickt...
Du hast mich fortgeschickt, und ich geh heim. Die Gaslaternen blinzeln frech und schielen. Im Rinnstein drängt sich dicker Straßenschleim. Zufrieden tropfend gluckst es in den Sielen. In einem Seitenweg verhallt ein Schritt, leicht und beschwingt, als käm er vom Genießen. Studenten torkeln mir vorbei zu dritt, die Zeitungsblätter auf die Stöcke spießen. Ich tu mir leid. Mein Schmerz stimmt mich vergnügt, heißt mich auf alle Ärgernisse achten, ob gegen dich sich draus ein Vorwurf fügt und die, die im Kaffeehaus mit dir lachten. Wart! Morgen sprechen wir uns schon dafür. Mein Ingrimm wird sich zu entladen wissen. - Da bin ich - öffne zögernd deine Tür - und küsse weinend deine leeren Kissen. (* 06. 04. 1878, † 10. 07. 1934)
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