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Georg Heym - Der Gott der Stadt (The God of the City) (Interpretation #439)
Text
John R. Chapin, Das große Feuer von Chicago (1871)
Gedicht: Der Gott der Stadt (1910)
Autor/in: Georg Heym
Epoche: Expressionismus
Strophen: 5, Verse: 20
Verse pro Strophe: 1-4, 2-4, 3-4, 4-4, 5-4
Auf einem Häuserblocke sitzt er breit. Die Winde lagern schwarz um seine Stirn. Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit Die letzten Häuser in das Land verirrn. Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal, Die großen Städte knien um ihn her. Der Kirchenglocken ungeheure Zahl Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer. Wie Korybanten-Tanz 1 dröhnt die Musik Der Millionen durch die Straßen laut. Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut. Das Wetter schwält 2 in seinen Augenbrauen. Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt. Die Stürme flattern, die wie Geier schauen Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt. Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.
Der Gott Der Stadt Interpretation Definition
Georg Heym (* 30. Oktober 1887 in Hirschberg, Schlesien; † 16. Januar 1912 in Berlin) war ein expressionistischer Dichter. 1 Autor: Georg Heym
2 Titel: Der Gott der Stadt
3 Publikationsdaten:
4 Moderne-Ansatz:
5 Gedichtanalyse:
6 zeitliche/Stilzuordnung:
7 Literatur:
8 AutorIn des Artikels:
Autor: Georg Heyms
Georg Heym wurde am 30. Oktober 1887, als erstes Kind von Vater Hermann Heym, dem späteren Reichsmilitärstaatsanwalt, und Mutter Jenny Heym, geb. Taistrzik, in Hirschberg, Schlesien geboren. 1907 machte Heym sein Abitur, mit dem Schreiben fing Heym bereits 1899 an. Seit 1904 führte er Tagebuch mit dem Titel "Tagebuch des Georg Heym. Der nicht den Weg weiß. " Heym ertrank am 16. 01. 1912 beim Schlittschuhlaufen in Berlin. Georg Heym gilt als einer der wichtigsten Lyriker des frühen literarischen Expressionismus. Werk
Auf einem Häuserblocke sitzt er breit. Die Winde lagern schwarz um seine Stirn. Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
Die letzten Häuser in das Land verirrn. Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,
Die großen Städte knien um ihn her.
Der Gott Der Stadt Interpretation Of Text
Aber uns kommt es hier ja nicht auf fertige Lösungen an, sondern auf Sensibilisierung, so dass man bei einem anderen Gedicht schnell selbst auf hilfreiche "Interpretations-Schritte" kommt. So könnte man an die Details des Gedichts rangehen:
Erst mal könnte man darüber nachdenken, was die Überschrift auslöst: Es geht um etwas Großes, Übermächtiges - und das in einem Gebiet mit vielen Menschen. Die erste Strophe bietet dann aber kein Bild, vor dem man Achtung hat, das man vielleicht sogar anhimmelt, sondern etwas Massives, Bedrohliches. In der zweiten und dritten Strophe geht es dann um das Verhältnis der Menschen zu diesem Ungeheuer. "Baal" und "Korybanten" muss man kurz nachschlagen - bei einer Klausur oder Klassenarbeit
müssten diese Begriffe ggf. mitgeliefert werden:
Baal = aus Sicht der Juden und Christen heidnische Götter im alten Orient
Korybanten = wilde Begleittänzer einer anderen heidnischen Gottheit aus dieser Zeit, verbunden mit Orgien. Entscheidend ist, dass sich die Menschen diesem "Gott der Stadt" bedingungslos unterwerfen.
Der Gott Der Stadt Interpretation Of Motion
Schlussendlich lässt sich feststellen, dass Georg Heym hier ein Gedicht geschrieben hat, dass stellvertretend und wegweisend für seine expressionistischen Nachfolger war, die sich mit dem Thema "Großstadt" beschäftigt haben. Nochmal kurz und prägnant lässt sich zusammenfassen, welches Bild Heym von der Stadt für seine expressionistische Nachwelt geprägt hat:
Kritik an:
- Lärm/Unruhe/Verkehr
- Wahnsinn
- "Vergewaltigung der Natur"; Bedrohung der Natur durch den Menschen
- Moloch (=menschenfressendes Ungeheuer)
- Zivilisationskritik
(- Anonymität und Einsamkeit, siehe hierzu Städter von Alfred Wolfenstein)
(- Abscheu vor dem Menschen, siehe hierzu Nachtcafè von Gottfried Benn)
Dabei wird ein ganzer Tag bis zum nächsten Morgen
erfasst. Insgesamt sei das Gedicht nichts anderes als eine "hyperbolische Metapher", "um das Verhängnis, das über modernen
Städten schwebt, in einer Illustration sichtbar zu machen" (184). Was die religiösen Bezüge angeht, sieht Heselhaus Unstimmigkeiten, etwa die Verbindung des Baal-Kultes mit
Kirchenglocken (vgl. 185). Dabei wird der Begriff der "Halluzinationen" verwendet - mit Blick auf den französischen Dichter Rimbaud, der ebenfalls
keine Probleme hat, das, was er sieht, auch mit scheinbar abwegigen, aber beeindruckenden Assoziations-Bildern zu verbinden. Wer als Lehrer seine Schüler nicht mit dieser Untergangs-Fantasie alleinlassen möchte, könnte die letzte Strophe durch eine andere, "postivere" ersetzen lassen. Zum Beispiel könnte man ansetzen an dem fehlenden Widerstandsgeist der Menschen in diesem Gedicht. Wieso kann nicht einer diesen Massenwahn unterbrechen - so wie Le Bon es als Lösung in seiner Beschreibung der Massenpsychologie beschreibt.