Es kommt zu einigen Verwicklungen und so manchem Eklat bis zum Höhepunkt am Weihnachtsabend, an welchem Edwin verschwindet und nur sein blutbefleckter Mantel aufgefunden wird – dies von einem Assistenten des Pfarrers, der erst jetzt in die Geschichte eingeführt wird. Sechs Monate später kommen zwei zwielichtige Gestalten aus London angereist: Prinzessin Puffer, die Betreiberin der Opiumhöhle, und der geheimnisvolle Dick Datchery, der als schwerhöriger Detektiv den Fall aufklären will – und genau hier bricht die Originalvorlage von "Das Geheimnis des Edwin Drood" ab. Wäre es kein bereits häppchenweise veröffentlichtes Buch gewesen, hätte es als spätes Fragment im Schatten großer bekannter Werke des Autors wahrscheinlich ein eher unbeachtetes Dasein gefristet, aber da ein breites Publikum sozusagen bereits angefixt war, gab und gibt es seit dem 19. Jahrhundert immer wieder Fortsetzungen, gestaltet von Fans, begeisterten Lesern oder eben auch Profis. Rupert Holmes schrieb für das Musical "Das Geheimnis des Edwin Drood", das im Dezember 1985 am Broadway uraufgeführt wurde, kein eigenes Ende – oder besser gesagt, er schrieb das Material für über hundert, denn er hatte die geniale Idee, das Publikum jeden Abend neu abstimmen zu lassen, welches Ende die Geschichte nehmen soll.
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Theater Münster: Das Geheimnis des Edwin Drood, Musical von Rupert Holmes nach Charles Dickens - YouTube
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Das Musical "Das Geheimnis des Edwin Drood" von Rupert Holmes (Musik, Buch und Gesangstexte) nach dem gleichnamigen Romanfragment von Charles Dickens, am Theater für Niedersachsen (TfN) in Hildesheim von Craig Simmons inszeniert, birgt naturgemäß für immer das Geheimnis des Edwin Drood, denn Charles Dickens starb, bevor er den als Fortsetzungsroman gestalteten, vielleicht frühesten Kriminalroman der Weltliteratur fertigstellen konnte – ein tödlicher Schlaganfall beendete sein Werk etwa auf halber Strecke. Bevor Edwin Drood nach Ägypten aufbricht, um dort mit einer Straßenverbindung durch die Wüste seine Karriere aufzubauen, will er noch Abschied von seinen Verwandten nehmen und Rosa Budd heiraten, in welche sein Onkel, der auch ihr Gesangslehrer ist, seit langem sehr verliebt ist. Doch Edwin und Rosa wurden einander schon als Kleinkinder versprochen. Es treten viele merkwürdige Gestalten auf, die alle auf die eine oder andere Weise mit Edwin und/oder Rosa verbunden sind: ein ceylonesisches Zwillingspärchen, die Chefin einer Opiumhöhle, ein seltsamer Steinmetz und sein Gehilfe, ein jovialer Bürgermeister, ein zerstreuter Pfarrer.
Tim Müller hat als Bazzard "einfach kein Glück" und darf nicht die sehnsüchtig gewünschte große Rolle spielen, aber davon singen. Und das tut er stimmgewaltig eindrucksvoll. Zudem bekommt er eine Zugabe, weil das Publikum ihn in der besuchten Vorstellung zum männlichen Part des Liebespaares wählt, was er hinreißend komisch umsetzt. Hochwürden Crisparkle wird von Harrie Poels genau so umgesetzt, wie man sich einen viktorianischen Pfarrer vorstellt: gewichtig, ein bisschen überheblich, wohlwollend aber etwas vertrottelt und einst unglücklich verliebt. Dass das Publikum ihn an diesem Abend zum Mörder wählt, ist sicher kein Zufall – der Mörder ist immer der Pfarrer. Fabian Egli gibt den John Jasper sehr glaubhaft als leidenschaftlich-verklemmten Opiumsüchtigen, der Rosa seine Liebe nur durch ein ihr gewidmetes Lied gestehen darf, da er ja weiß, dass sie und Edwin an das Heiratsversprechen gebunden sind, das ihre Väter für sie abgegeben haben. Lichtblick des Abends ist aber neben dem genialen Alexander Prosek eine Frau: Judith Bloch als Prinzessin Puffer.