"Die Zeit liegt im Sterben. Bald wird sie begraben", heißt es im Gedicht von der Frage nach dem Positiven. Und in einer makabren Ballade, in "Maskenball im Hochgebirge", läßt Kästner alle Gäste eines Berghotels verrückt werden und nachts über die Hänge rasen. Nicht ohne Folgen: Das Gebirge machte böse Miene. Das Gebirge wollte seine Ruh. Und mit einer mittleren Lawine deckte es die blöde Bande zu. Hat dieses Ende nicht eine verfluchte Ähnlichkeit mit dem der Erde, die endlich still und zufrieden, "völlig beruhigt", ihre bekannte Bahn rollt? Und steckt hinter solch finaler Ruhestiftung letztlich nicht noch immer ER, der zu Zeiten Noahs schon einmal das letzte Kapitel geplant und eingeleitet hatte? Nur ER kann vom Weltuntergang in der Vergangenheitsform reden, da allein ER außerhalb der Bedingtheiten von Zeit und Raum steht. Erich Kästner: Maskenball im Hochgebirge (Vertonung: Heinrich Herlyn) - YouTube. Ja, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als ob ER im "Letzten Kapitel" sein Inkognito fast überdeutlich lüftet: ERich KästnER. Robert Gernhardt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.
Erich Kästner: Maskenball Im Hochgebirge (Musik: Heinrich Herlyn/ Interpretation: Maybebop) - Youtube
Erich Kästner: Maskenball im Hochgebirge (Vertonung: Heinrich Herlyn) - YouTube
Maskenball Im Hochgebirge - Youtube
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Oliver Steller
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Oliver Steller (*1967 in Bonn) ist ein deutscher Rezitator, Sänger und Gitarrist. Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist Oliver Steller im Rheinland. Neben dem Abitur in Bonn absolvierte er die High-School in Los Angeles. Maskenball im Hochgebirge - YouTube. Er studierte Gitarre, Komposition und Gesang am Berklee College of Music in Boston. Als freischaffender Musiker arbeitete Oliver Steller drei Jahre lang in Chicago. In dieser Zeit entstanden unter anderem Aufnahmen mit Santana, Charmaine Neville, Robert Irving und Louisiana Red. Nach seinem Aufenthalt in den USA kehrte er nach Deutschland zurück und traf auf … mehr erfahren
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Bauwelt - Maskenball Im Hochgebirge
Es ist der totalitäre Terrorismus, der sich in der Wahl seiner Ausrottungsmethoden je länger, desto enger dem Kästnerschen Endzeit-Szenario angeglichen hat: Sind sie uns nicht allesamt schrecklich vertraut, diese fliegenden Selbstmordkommandos mit ihren biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen? Selbst daß der finale Flug ausgerechnet in Boston gestartet wird, bewirkt einen gewissen Wiedererkennungseffekt. Kein Zweifel – Kästners Visionen sind zum Teil von der Wirklichkeit eingeholt worden, und Kästner-Lesern ist das nicht entgangen. Das Gedicht, höre ich, wurde der Redaktion dieser Zeitung in den letzten Monaten ungewöhnlich häufig zugeschickt, unverlangt und unaufgefordert. Weshalb? Ich vermute, als Botschaft. Ihr Inhalt: Da sagt's mal einer! Aber was sagt er eigentlich, der Kästner? Erich Kästner: Maskenball im Hochgebirge (Musik: Heinrich Herlyn/ Interpretation: Maybebop) - YouTube. Hat er wirklich bereits vor Jahrzehnten Totalitarismus und Terrorismus angeprangert? War er nicht vielmehr im tiefsten Grunde seines Herzens davon überzeugt, die Menschheit habe kein besseres Ende verdient?
Erich Kästner: Maskenball Im Hochgebirge (Vertonung: Heinrich Herlyn) - Youtube
Eines schönen Abends wurden alle
Gäste des Hotels verrückt, und sie
rannten schlagerbrüllend aus der Halle
in die Dunkelheit und fuhren Ski. Und sie sausten über weiße Hänge. Und der Vollmond wurde förmlich fahl. Und er zog sich staunend in die Länge. So etwas sah er zum erstenmal. Manche Frauen trugen nichts als Flitter. Andre Frauen waren in Trikots. Ein Fabrikdirektor kam als Ritter. Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß. Sieben Rehe starben auf der Stelle. Diese armen Tiere traf der Schlag. Möglich, daß es an der Jazzkapelle –
denn auch die war mitgefahren – lag. Das Gebirge machte böse Miene. Das Gebirge wollte seine Ruh. Und mit einer mittleren Lawine
deckte es die blöde Bande zu. Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich. Der Natur riß einfach die Geduld. Andre Gründe hierfür gibt es schwerlich. Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.
Dazu muss gar nichts gesagt werden. Imker mit Bienen versus Autos auf Parkplatz, einige Milchkannen versus Bierfässer en masse, Holzzaun versus Skier. Und am Ende die hedonistische Erlebnisgesellschaft an der Piste mit Unmengen an Müll und Getränkekisten, die sich nackt und enthemmt zeigt. Ein Ventil für die Leistungsgesellschaft sei das wohl, meint der Vortragende und zitiert Albert Schweitzer, Kultur habe etwas mit Denken und Freiheit zu tun. Ganz zum Schluss wird er ironisch und endet mit Erich Kästner, der schon 1945 im Zillertal über den "Maskenball im Hochbegirge" lästerte. "Und dann riss der Natur die Geduld. "
Kurt Tucholsky, der Ein Mann gibt Auskunft kurz nach Erscheinen in der Weltbühne eingehend und eindringlich besprochen hat, erwähnt mehrere der Gedichte des Bandes, auch "das unsereinem aufs Fell geschriebene Gedicht, Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner'". Zum "Letzten Kapitel" findet er keine Worte. Weil's noch so weit weg war? Zeit vergeht, und als Eva Demski das Gedicht am 13. Oktober 2001 in der Frankfurter Anthologie vorstellte, war nicht nur die Frist bis zum 13. Juli 2003 schon erheblich zusammengeschmolzen, da hatte auch vor allem ein Vorgang den Blick auf das Gedicht entscheidend verändert: Die jüngsten Ereignisse haben den Staub von diesen Zeilen gefegt, und die Katastrophenbilder des Gedichts können nicht mehr als Metaphern gelesen werden. Bei den "jüngsten Ereignissen" denkt Eva Demski selbstredend zuerst an den 11. September, dann aber auch an Öko-Fanatiker, "die die Abschaffung des Menschengeschlechts zur Rettung der Natur für geboten halten". Was aber verbindet all jene, denen jedes Mittel genehm ist, sofern es nur dem einen, dem großen, dem alles rechtfertigenden Ziel dient?