Eins vorweg, diese Ausstellung ist sowohl etwas für Kenner als auch Neuentdecker des Werks von George Grosz. Des Malers und Zeichners, der mit seinem Werk viel beigetragen hat zu unserem Bild von der Weimarer Republik. Dem wilden Leben in einem entfesselten Kapitalismus, der die einen zum Tanz auf dem Vulkan verführte und die anderen in das größte Elend stürzte. Ein Typenkabinett der besonderen Art hat er uns da ins Stammbuch der Epoche gezeichnet. Der Zylinder oder Melone tragende Ausbeuter-Fettwanst tritt da auf und grapscht mit der Zigarre in der Hand nach kaum bekleideten Damen. Schneidige Weltkriegsoffiziere hier, ausgemergelte, oft kindliche Elendsgestalten da. Auch die Vertreter von Justiz, Staat und Kirche geben meist keine gute, aber präzise und parteiisch gezeichnet Figur ab. George Grosz: Inspirator zeitgenössischer Künstler
Über 200 Werke sind in der Ausstellung versammelt. Doch die soll mehr sein, als nur eine Personalschau des in der Kunstgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts fest verorteten Zeichners.
George Grosz Zeichnungen Funeral Home
The Enemy of the Rainbow, 1946. Nach dem Krieg resignierte Grosz: Das 1946 entstandene Aquarell "The Enemy of the Rainbow" gehört zu dem Werkkomplex der "Stickmen" (Stockmänner), der im Spätwerk von Grosz, entstanden nach dem Krieg, eine herausragende Stellung einnimmt. Es herrschte Endzeitstimmung. Die große Hoffnung, dass mit dem Tod von Hitler sich die Weltlage zum Besseren wenden würde, erfüllte sich nicht. Es droht eine noch viel größere Katastrophe: ein Atomkrieg. Die Stockmänner sind gespenstische, seelenlose Wesen in einer Welt ohne Hoffnung, ohne Zukunft", erklärt Ralph Jentsch, Grosz' Nachlassverwalter
Bild: dpa/akg-images
1951 reiste Grosz das erste Mal seit seiner Emigration nach Deutschland. 1958 wurde er zum außerordentlichen Mitglied der Berliner Akademie der Künste gewählt. Auf Drängen seiner Frau Eva kehrte das Paar 1959 nach Berlin zurück. Kurz nach ihrer Rückkehr starb George Grosz mit 65 Jahren am 6. Juli 1959 nach einem Treppensturz. Er wurde auf dem Friedhof Heerstraße beigesetzt.
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Aktualisiert: 08. 04. 2022, 18:00
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Blick in die neue Ausstellung in der Jenaer Kunstsammlung: "Follow George Grosz" ( Juni 2022) mit den beiden Kuratoren Annette Vogel (München) und Erik Stephan, dem Leiter der Städtischen Museen Jena. Foto: Ulrike Kern
Jena. Die Kunstsammlung Jena zeigt bis zum 26. Juni eine neue Ausstellung. "Follow George Grosz" versammelt rund 250 Werke, darunter zeitgenössische. Warum sich ein Besuch lohnt.
George Grosz Zeichnungen
George Grosz
Grosz' Ikonografie ist von der Verarbeitung des Ersten Weltkriegs, geprägt. Nach kurzem Einsatz vom Kriegsdienst befreit (der in Weimar ansässige Kunstmäzen Harry Graf Kessler konnte ihn 1917 vor der Erschießung als Desserteur bewahren) hält Grosz die Welt und den Menschen im Umbruch fest: Einstürzende Häuser, Militärs, Kriegsversehrte, Kapitalisten, Spießer und die schillernde Halbwelt. Er zeigt ein Panoptikum der vom Krieg Gezeichneten gepaart mit gesellschaftlichen Untiefen: Klassenkampf, Korruption, Gewalt sowie Vertreter der Obrigkeit, Justiz und Kirche werden sein großes Thema. Grosz' Werke geben Zeugnis von den Folgen des Krieges als auch seines eigenen Lebens als Migrant, der 1933 in die USA übersiedelte und so der Gestapo entkam. Fortan war er der Grundlage seiner künstlerischen Agitation beraubt und konnte nur aus der Ferne jedweden Faschismus an den Pranger stellen. Das Hinterfragen des Selbst und der Geschlechterrollen wird ihm vermehrt ein künstlerisches Anliegen – nicht jenseits der Politik, sondern als dessen Abbild.
George Grosz Zeichnungen Die
Jentsch, Kurator zahlreicher Ausstellungen und Publikationen, hat im Laufe der Jahre hunderte Fälschungen entlarvt, einschließlich der mit falschen Aufklebern der Galerie Flechtheim bestückten Beltracchi-Fälschungen. Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und per E-Mail benachrichtigt werden. Er wird auch nicht müde, im Namen des Nachlasses um die Restitution von Grosz-Werken aus Museen in Bremen, Köln, Wien, Paris, New York und Tokio zu kämpfen. Sechs Jahre lang hatte der Nachlass um die Herausgabe von 300 Werken gekämpft, die der New Yorker Kunsthändler Serge Sabarsky als nicht abgerechneten Bestand gelagert hatte. 2003 wurde der Prozess gewonnen. Arbeiten aus diesem Fundus waren dann erstmals in einer Ausstellung der Berliner Galerie Brockstedt zu sehen. Das Kleine Grosz Museum von innen
Die Eröffnungsschau ist den frühen Jahren von George Grosz gewidmet. (Foto: Hanna Seibel; Estate of George Grosz, Princeton; VG Bild-Kunst, Bonn 2022)
Die Eröffnungsschau ist den frühen Jahren von George Grosz gewidmet.
Das haben die beiden Kuratoren, Annette Vogel aus München und der Jenaer Museumschef Erik Stephan, beschlossen. Weswegen 17 weitere Künstlerinnen und Künstler unserer Tage dazu eingeladen wurden, mit ihren Werken Kritik an den heutigen Verhältnissen zu demonstrieren. Daniel Richter tut das auf eher subtile Art. Jonathan Meese in seiner bekannt brachialen Weise. Ganz nah dran an Grosz gesellschaftskritischen Zeichnungen gerät der Jenaer Sebastian Jung mit seinen Zeichnungen, die er vom Münchner NSU-Prozess gemacht hat. Förderer von Andy Warhol
Und dann kommt noch ein ganz großer Name der Kunstgeschichte ins Spiel, der von Andy Warhol. Dem ist Grosz – der es schaffte, sich vor den Nazis in die USA in Sicherheit zu bringen – in der neuen Welt begegnet. Als dieser noch ein junger, unbekannter Künstler war, der sich um einen Preis beworben hatte. Die einzige Stimme aus der Jury, die er bekam, stammte von Grosz.
Alle paar Minuten donnert eine U-Bahn dicht am Garten vorbei. Die gelben Waggons blitzen kurz zwischen Bambusbüscheln und märkischem Kiefern auf, die eine tiptop sanierte Shell-Tankstelle im beschwingten Design der Wirtschaftswunderjahre wie eine schützende Hecke umschließen. Cappuccino statt Sprit: Welch ein zauberhafter Ort für ein Museumscafé mitten in der Stadt! Der Weg zu dieser grünen Oase führt an Dönerbuden, billigen Bars und Straßenprostituierten vorbei. Das Spießige, Schrille und Schräge wohnt an der Bülowstraße dicht beieinander, trotz brachialer Sanierung durch die Neue Heimat seit den 1960er-Jahren. [Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ] Heute hält die landeseigene Gewobag als größte Vermieterin in der Gegend die Hand schützend über das Milieu und lindert der Gentrifizierungsdruck und lässt die Wohnhausfassaden mehrstöckig von internationalen Street-Art-Künstlern bemalen.